Aquakultur: Die Fischproduktion der Zukunft?
05.07.2020
Karpfen, Lachs, Thunfisch: Immer mehr Fische werden heutzutage in Aquakulturen, auf sogenannten Fischfarmen, gezüchtet. Laut Aquakulturinfo lag die weltweite Produktion von aquatischen Organismen im Jahr 2018 bei 179 Millionen Tonnen. Rund 82 Millionen Tonnen, also 46 %, stammten dabei aus Aquakulturen. Welche Vor- und Nachteile bringt dieser Zweig der Ernährungswirtschaft mit sich und wie wird die Zukunft im Bereich Aquakultur aussehen?
Aquakultur: Was ist das?
Bei einer Aquakultur handelt es sich um die Produktion von aquatischen Organismen. In erster Linie dienen diese als Nahrungsquelle. Oftmals wird der Begriff „Fischzucht“ als Synonym für Aquakultur verwendet, allerdings beschreibt dieser Begriff nur einen kleineren Bereich. Denn neben Fischen werden häufig auch Muscheln, Algen, Krebse und andere Weichtiere gezüchtet. Dies geschieht innerhalb unterschiedlicher Systeme: Aquakultur findet in Teichen, Kreislaufanlagen oder Netzgehegen statt.
Weltweiter Spitzenreiter im Bereich Aquakultur ist China: Laut Albert Schweitzer Stiftung zieht das Land jährlich mehr Fische auf als alle übrigen Länder der Erde zusammen. Während Indien, Indonesien, Vietnam, Bangladesch, Ägypten sowie Norwegen ebenfalls große Mengen Fisch aus Aquakultur exportieren, hinken viele europäische Länder hinterher. Weniger als ein Fünftel aller Fischerei-Erträge stammt in der Europäischen Union aus Aquakulturen . Grund dafür sind vor allem unterschiedliche Tierschutzvorgaben, die eine einheitliche Vorgehensweise der Mitgliedsstaaten verhindern.
Vor- und Nachteile der Aquakultur
An Aquakulturen scheiden sich häufig die Geister. Theo Jansen ist Geschäftsführer der Wechsler Feinfisch GmbH und sieht im Bereich Aquakultur viele Vorteile, erkennt aber auch potenzielle Probleme: „Aquakultur ist in der Lage, Milliarden von Menschen auf der Welt mit hochwertigem Protein zu versorgen. Sie leistet so einen wichtigen Beitrag zur Welternährung und entlastet gleichzeitig die Wildfischfänge. Die Nachteile der Aquakultur beginnen dort, wo die Ökonomie die Ökologie verdrängt und Profitstreben die Maxime ist. Wenn sich Großkonzerne einschalten, Landwirtschaft zu Agrarindustrie mutiert und Shareholder Value das einzige Interesse ist, wird weder für unsere Ernährung ein wertvolles Produkt geschaffen noch für unseren Planeten etwas Gutes herauskommen.“
Sandra Kess vom Fisch-Informationszentrum e. V. empfindet vor allem die hohe Transparenz als großen Vorteil der Aquakultur: „Sämtliche Produktionsschritte sind in der Aquakultur bekannt und die Produktion regelt sich selbst. Dadurch sind die zur Verfügung stehenden Mengen und Qualitäten im Vergleich zu den Erträgen aus dem Wildfang planbar und rückverfolgbar. Somit ist eine hohe Transparenz gewährleistet, die von vielen Teilen der Verbraucherschaft gewünscht ist.“ Nachteile hingegen sind für Kess stark abhängig von der Produktionsform: „Offene Systeme, wie Netzgehege oder Teiche, stehen in starken, wenig kontrollierbaren Wechselwirkungen mit der Umwelt. Parasiten oder Abbauprodukte können aus den Kulturen oder in die Anlagen hineingelangen. Geschlossene Systeme, wie hochtechnisierte Kreislaufanlagen, bieten dagegen die volle Kontrolle. Als Nachteil sind hier außerdem die zum Teil hohen Kosten beim Aufbau und Betrieb der Anlagen zu sehen. Auch die eingesetzten Futtermittel stehen häufig in der Kritik: Fischöl und -mehl sind aktuell noch wichtige Zutaten bei der Fütterung bestimmter Arten.“
Aquakultur als Beitrag zur Welternährung
Fische und Meeresfrüchte gehören zu den am meisten gehandelten Nahrungsmitteln weltweit. Vor allem das Wachstum der Weltbevölkerung wird in den kommenden Jahren dazu führen, dass die Nachfrage und der Bedarf an Lebensmitteln und somit auch an Fisch stark ansteigt. Sandra Kess sieht im „Konzept Aquakulturen eine hohe Zukunftsfähigkeit, die für viele Länder neben einer Sicherung von Beschäftigung und Einkommen auch einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit bietet“. In ihren Augen stehen Nachhaltigkeit, Tierwohl sowie Produktqualität und Technologie im Vordergrund. Bereits in den letzten Jahren wurden viele Fortschritte gemacht, um sich der wachsenden Nachfrage zu stellen, weiß die Expertin: „Computergestützte Verfahren der Fütterung, neue Gehegekonstruktionen, die Verlagerung der Anlagen auf das offene Meer sowie Zuchterfolge bei der Auslese von Fischen, Krebs- und Weichtieren haben dazu beigetragen, dass immer größere Mengen produziert werden können“.
Emilia Schomburg, Communication Director von MOWI ASA, schaut ähnlich zuversichtlich in die Zukunft: „Wir glauben, dass wir durch die Bewirtschaftung des Ozeans ausreichend nachhaltige, gesunde, nahrhafte und erschwingliche Nahrungsmittel für die Gesellschaft als Ganzes produzieren können. 70 % unseres Planeten ist von Wasser bedeckt, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt allerdings, dass nur ungefähr 2 % der weltweiten Nahrungsmittelversorgung aus dem Meer stammt.“
Aquakulturen und Nachhaltigkeit: ein Widerspruch?
Aktuell ist die Nachfrage nach nachhaltigen Alternativen zur Lebensmittelgewinnung riesig. Aquakulturen stehen häufig in der Kritik. Der Vorwurf: mangelnde Nachhaltigkeit. Theo Jansen ist dagegen der Meinung, dass eine „zertifizierte biologische Aquakultur immer schon nachhaltig und umweltbewusst gewesen ist, schon lange bevor diese Begriffe zu den Schlagworten unserer Zeit geworden sind.“ Für Jansen zeichnet sich eine nachhaltige Aquakultur unter anderem durch geringe Besatzdichten, ökologisches Futter sowie beste Gewässerqualität aus. Diese würden nicht nur negative Einflüsse auf die Umwelt minimieren, sondern auch ein erstklassiges und ökologisches Produkt gewährleisten.
Wird heutzutage über Nachhaltigkeit gesprochen, ist schnell die Rede vom sogenannten ökologischen Fußabdruck. Dieser gibt an, wie stark das Ökosystem und die natürlichen Ressourcen der Erde beansprucht werden. Ein ökologischer Fußabdruck kann auf unterschiedlichsten Ebenen berechnet werden – für Einzelpersonen, ein Unternehmen oder auch eine Aquakultur. Hier sieht Theo Jansen einen großen Vorteil dieser Art der Lebensmittelproduktion: „Der ökologische Fußabdruck der Aquakultur ist um ein Vielfaches besser als der der Produktion von Rind- und Schweinefleisch. In Zukunft wird sich dieser weiter verbessern, sollte es gelingen, den im Fischfutter enthaltenen maritimen Proteinanteil durch Insekten zu ersetzen.“
Auch Emilia Schomburg teilt diesen Gedanken: „Konsumenten könnten ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck deutlich reduzieren, wenn sie Rind- und Schweinefleisch in ihrer Ernährung durch Fisch ersetzen.“ Laut Schomburg werden bei der Lachsproduktion in Aquakultur pro Kilo Fisch 7,9 Kilogramm CO2 freigesetzt. 1 Kilogramm Schweinefleisch hingegen setzt 12,2 Kilogramm frei, ein Kilogramm Rind sogar 39 Kilogramm CO2.
Aquakulturen: eine spannende Zukunft
Aquakulturen scheinen ein großes Potential zu bergen, die stetig wachsende Nachfrage an Fisch und anderen aquatischen Organismen abzudecken und so einen großen Beitrag zur Welternährung zu leisten. Darüber hinaus können Aquakulturen in Hinblick auf den weltweißen CO2-Ausstoß einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. In vielen Ländern, vor allem innerhalb der Europäischen Union, fehlt es aktuell noch an übergreifenden Regeln und Bestimmungen, die Anforderungen, Kontrollen und Zertifikate definieren und gleichzeitig das Tierwohl garantieren.
Wie werden sich vor diesem Hintergrund Aquakulturen in den nächsten Jahren weiterentwickeln? Eine spannende Frage, die auf der Anuga 2021 diskutiert wird – vor allem im Rahmen der Fachmessen Anuga Chilled & Fresh Food sowie der Anuga Frozen Food , auf der Fisch und Fischzubereitungen eine tragende Rolle spielen.