Köln: 04.–08.10.2025 #anuga

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BettaF!sh – Meer schmecken, nachhaltig genießen

Liebe Deniz, erzähl uns etwas zur Gründungsgeschichte von Bettaf!sh, wie bist du damals darauf gekommen?

Verschiedene Unverträglichkeiten brachten mich erstmals dazu, die Zutatenlisten im Supermarkt genauer zu lesen – und dabei wurde mir bewusst, dass die meisten Lebensmittel auf nur fünf Hauptrohstoffen basieren – ein echter "Aha-Moment". Ich startete einen Blog über gluten- und zuckerfreie Ernährung, schrieb Kochbücher und war für die User-Kontakte auf der Plattform Kitchen Stories zuständig. Dabei lernte ich nicht nur viel über Rezepte, die bei Menschen gut ankommen, sondern auch darüber, wie man sie für pflanzlich basierte Alternativen begeistern kann.

Später arbeitete ich im Innovationsbereich bei Hermanns (Bahlen Gruppe) und begann, verschiedene Rohstoffe der Zukunft unter die Lupe zu nehmen. Dabei stieß ich auf Algen – und mir wurde klar, dass Algen, wenn wir über die Zukunft der Ernährung sprechen, eine Schlüsselrolle spielen müssen. 70% unseres Planeten sind mit Meeren bedeckt, aber 98% unseres Kalorienbedarfs wird aktuell von dem bisschen Landmasse abgedeckt. Meeresalgen haben ein riesiges Potenzial, aber kaum jemand arbeitet damit. Der letzte Schubs kam durch den Grace Accelerator in Berlin, der speziell Frauen ermutigte zu gründen. In nur 2,5 Wochen im Programm ging ich positiv heraus und entschloss mich: Ich werde gründen – egal was.

Es dauerte noch ein halbes Jahr, bis ich BettaF!sh offiziell ins Leben rief, mit dem Ziel, Algen in den Mainstream zu bringen und damit die Zukunft der Ernährung nachhaltig zu gestalten.

Eine Frau mit schulterlangem braunem Haar und weißem T-Shirt lächelt vor einer grünen Blattwand in die Kamera.

Gründerin Deniz Ficicioglu im Interview mit der Anuga

Ihr bezieht die Algen für eure Produkte aus Algenfarmen. Kannst du uns davon etwas erzählen?

Derzeit beziehen wir unsere Meeresalgen ausschließlich aus Europa, arbeiten jedoch an Projekten wie dem Scale X Projekt der UNIDO, um Algenfarmen in Sansibar zu unterstützen. Viele dieser Farmen werden von ehemaligen Fischereiarbeitern betrieben, wobei besonders in Europa viele Algenfarmer aus der Fischindustrie kommen. Interessanterweise werden in Regionen wie Sansibar und Indien viele Algenfarmen von Frauen geführt. In Norwegen, wo wir ebenfalls Meeresalgen beziehen, erfolgt die Kultivierung der Algen gezielt: Die Sporen werden in Salzwasserwannen angezüchtet und wachsen dann im offenen Meer. Für die Ernte werden Boote verwendet, die die Taue ins Meer ziehen, die Algen von den Tauen trennen und in Wannen weitertransportieren. Gewaschen und gereinigt werden die Algen beispielsweise in einer Krabbenfabrik, die zur Erntesaison meist leer steht, da die Krabbensaison noch nicht begonnen hat. Ein großer Vorteil ist, dass wir bestehende Infrastrukturen nutzen können, ohne große Investitionen zu benötigen.

Das Schöne, Algen sind Teil eines viel breiteren Ansatzes als nur der Fischalternativen. Wir müssen weg von der Monoernte an Land und der Überfischung der Meere und hin zu nachhaltigeren Alternativen. Algen können dabei nicht nur einen Teil der Fische ersetzen, sondern auch andere Produkte, die auf dem Land kultiviert werden. Die tausenden Algenarten sind bisher fast komplett ungenutzt in der Lebensmittelindustrie und bieten viel Potenzial, um Nährstoff- und Geschmacksprofile von Produkten zu verbessern. Unser nächstes B2B Produkt ist z.B. ein clean-label Umami Enhancer für die Fleischindustrie, der zu 100% auf Meeresalgen basiert. Sie bieten die Möglichkeit, viele Ressourcen zu schonen und gleichzeitig die Umwelt zu entlasten. Der Wildfang von Zuchtlachs oder Thunfisch sowie die Schädigung von Ökosystemen durch Shrimpsfarmen sind nur einige Beispiele dafür, wie Algen dazu beitragen können, diese Katastrophen zu vermeiden und die Bestände in den Meeren zu schonen.

Eine Frau in wetterfester, neongelber Schutzkleidung arbeitet auf einem Boot und erntet braune Meeresalgen von einer Seilwinde. Im Hintergrund das offene Meer mit Bojen unter einem bewölkten Himmel.

Eine Meeresalgenfarm in Norwegen

Wie war das Feedback auf eure Gründung damals?

Die Reaktionen auf unsere Gründung waren insgesamt sehr positiv, vor allem als wir 2019 mit Oceanfruit gestartet sind und 2020 BettaF!sh hinzukam. Ende 2020 pitchten wir die Idee, und das Thema Meeresalgen als nachhaltige Alternative zu Fleisch kamgenau zur richtigen Zeit – der Hype um Beyond Meat war bereits in vollem Gange, und die Leute hörten immer mehr über pflanzliche Alternativen. Für Fisch gab es sie damals noch nicht. Unsere Idee, Algen als Rohstoff zu nutzen, der reich an Nährstoffen ist, stieß auf viel Interesse.

Die ersten Prototypen waren allerdings noch grün - es war eine echte Herausforderung, die grüne Farbe zu eliminieren und die Produkte für den Markt tauglich zu machen. Wir hatten aber auch noch andere Herausforderungen – zum Beispiel, unsere Produkte in Dosen zu bringen. Der klassische Prozess für tierische Proteine funktionierte nicht gut und die ersten Versuche schmeckten grausam. Wir mussten die Rezeptur komplett umformulieren und ein eigenes Pasteurisationsprogramm entwickeln, was uns auf unglaublich viele neue Wege führte – insbesondere bei Rohstoffen, Produktformulierung und der Erkenntnis, welche Zutaten in der Industrie noch fehlen, um eine neue Generation von Produkten zu bauen. Das hat überzeugt. Mittlerweile sind unsere BettaF!sh Produkte im Food Service, Lebensmitteleinzelhandel und bei Herstellern im DACH-Raum im Einsatz. 800

Braune Meeresalgen

BettaF!sh nutzt Meeresalgen für ihre Produkte

Frauen gründen in der Regel eher selten - du hast dich gewagt. Was ist dein Fazit und welche Tipps kannst du angehenden Gründerinnen für die Foodbranche geben?

Viele Frauen haben oft das Gefühl, dass sie noch nicht genug wissen oder bereit sind, was ich völlig nachvollziehen kann. Aber genau das ist der wichtigste Schritt: einfach anfangen. Mein Tipp an angehende Gründerinnen – besonders in der Foodbranche: Lass dich nicht zu sehr von Zweifeln lähmen. Rede bei jeder Gelegenheit über die eigene Idee. Das hilft, deine Idee weiterzuentwickeln und die richtigen Partner zu identifizieren.

Die Foodbranche ist unglaublich dankbar und neugierig, und vor allem die Startup-Szene in Deutschland bietet einen riesigen Raum für offenen Austausch. Es gibt so viele Möglichkeiten, miteinander zu lernen und voneinander zu profitieren - zum Beispiel der Austausch auf Messen wie der Anuga oder Hubs wie Kitchentown, Food Harbaour. Ich freue mich, diese Erfahrungen und das Wissen selbst weitergeben zu können und hoffe, dass auch viele andere Frauen den Mut finden, ihre Ideen umzusetzen. Es ist eine aufregende Reise und man muss nicht alles von Anfang an wissen – aber der Wille, zu lernen und zu wachsen, ist der entscheidende Schritt.

Ihr wart 2023 zum ersten Mal auf der Anuga und wurdet als Top 10 Innovation im Rahmen unserer Anuga Taste Innovation Show ausgezeichnet. Wie war es für euch, auf der Anuga auszustellen?s

Die Teilnahme an der Anuga 2023 war für uns ein großer Meilenstein, da es das erste Mal war, dass wir dort ausgestellt haben. Wir standen im Fleischbereich, ein eher wilder Mix. Für uns war es aber perfekt, weil dort unglaublich viel Publikumsverkehr herrschte. Das war ein riesiger Vorteil, denn es gab ständig Menschen, die an unserem Stand vorbeigekommen sind. Dass wir als eine Top 10 Innovationen ausgezeichnet wurden, hat uns nochmal besondere Aufmerksamkeit eingebracht, sowohl von den Medien (unsere Dose war in der Tagesschau!) als auch bei den Teilnehmenden der Anuga.

Die Entwicklung der Anuga zur Anuga Alternatives gefällt uns sehr gut und zeigt auch, wie wichtig der Bereich alternative Proteine inzwischen ist. Produkte wie unsere erhalten ihren eigenen Raum und haben ihre Daseinsberechtigung. Natürlich fragt man sich manchmal, ob man vielleicht Menschen verliert, die sonst zufällig vorbeikommen, aber insgesamt finden wir die Entwicklung sehr spannend.

Die Anuga war für uns ein Muss, weil es einfach nicht viele Veranstaltungen gibt, auf denen wirklich alle wichtigen Akteure der Branche zusammenkommen.

Für 2025 haben wir bereits einige Ideen und freuen uns, mit neuen Produkten, wie zum Beispiel unserem „Lachs“, noch mehr Menschen für unser Thema zu begeistern. Die Anuga 2025 wird definitiv ein großes Highlight für uns!

Weiterführemde Links:

Anuga taste Innovation Show | Anuga
BettaF!sh – Die leckersten Fisch-Alternativen aus Meeresalgen